SL-Toolbox: „Was brauchst du gerade?“ – Die mächtigste Frage

Veröffentlicht von Betty am

Ich möchte dir in dieser Artikelserie ein paar Tipps an die Hand geben, die man als SL auf Con gut gebrauchen kann. Sie beruhen auf meinen persönlichen Erfahrungen aus mittlerweile 10 Jahren als Großcon-SL/-Orga. Es sei angemerkt, dass dies nur Werkzeuge sind. Kein Werkzeug ist für alle Aufgaben geeignet und sie sind nur so gut, wie man sie anwendet. Erwarte also bitte kein Allheilmittel und bedenke, dass sich je nach Definition der SL-Arbeit die Herangehensweise unterscheidet. Ich werde versuchen dir in den Beiträgen zu erläutern, wann und warum ich die Dinge einsetze. Gerne nehme ich auch deine Anmerkungen und Kritik auf und lasse sie in die Artikel mit einfließen. Das Ziel ist nicht, dass ich dir die (Larp-)Welt erkläre, ich behaupte nicht, das alleinige Wissen darüber zu haben – wie Larp funktioniert, sondern, dass hier am Ende Beiträge stehen, die Lesern helfen.

Wenn mich Leute fragen, was die Arbeit einer (Großcon-)SL ausmacht, sage ich als erstes immer, dass es zu ca. 75% um „soziales Mimimi“ der Spieler geht. Das meine ich noch nicht Mal negativ, auch wenn es sich auf den ersten Blick vielleicht so anhört (siehe hierzu auch das Mimimi-Buch). Vielmehr ist es eine flapsige Umschreibung dafür, dass der Hauptteil der SL-Arbeit darin besteht, der erste Ansprechpartner für die Spieler zu sein und dass diese mit so ziemlich all ihren Problemen zu dir kommen. Das können unter anderem sein:

  • sie benötigen organisatorische Unterstützung
  • Plotfragen
  • Regelfragen
  • sie wollen sich einfach nur vom Spiel ausruhen
  • sie wollen mit jemandem OT reden, den sie nicht aus dem Spiel reißen
  • sie wollen Frust ablassen über die Spieler, die viel zu doll zuschlagen
  • sie wollen Frust ablassen über die Duschen, die schlecht funktionieren und immer voll sind
  • sie wollen über ihre Probleme berichten, die sie innerhalb der Gruppe haben
  • sie wollen ihren Frust über den Plot ablassen
  • sie wollen über ihre Erlebnisse berichten
  • sie wollen Aufmerksamkeit
  • sie wollen Feedback zu ihren tollen Ideen
  • sie wollen Anerkennung für ihre Taten

Ich könnte diese Liste noch ewig weiterführen, aber das hier soll kein Beitrag darüber werden, was Spieler alles von dir als SLs wollen… oder etwa doch? Denn genau darum geht es: herauszufinden, was die Spieler eigentlich wirklich wollen.


Ich habe über die Jahre hinweg begriffen, dass Menschen, nicht einmal nur den Spielern (ja, auch Spieler sind Menschen, auch wenn sie sich manchmal nicht wie solche verhalten… ja, auch die Orks sind Menschen… OT zumindest. ;)), sondern auch NSC, Co-SL, Orga etc. oftmals zu Beginn gar nicht wirklich bewusst ist, was sie wirklich brauchen. Will der Typ, der sich gerade über seinen Mitspieler beschwert, dass du dir den anderen Typen vorknöpfst oder will er einfach nur Dampf ablassen? Will die Spielerin, die verzweifelt, weil sie mit ihrem Charakterbogen nicht weiter weiß jetzt eine Beratung über Regelfragen oder will sie eigentlich nur in den Arm genommen werden, weil sie mit allem irgendwie überfordert ist (und danach die Regelberatung)?

Die schwere Aufgabe von dir als SL ist, herauszufinden, was das eigentliche Problem der Spieler ist. Du solltest nicht unbedingt genau das tun, was sie sagen, sondern eher ihr eigentliches Problem ergründen und dieses dann angehen. Dabei muss ihnen selbst ihr Problem noch nicht einmal bewusst sein. Besonders in emotional aufgeladenen Situationen (und sind wir mal ehrlich, die gibt es im Larp zu Hauf) ist dies häufig der Fall.

Um diese Probleme aufzudecken hast du zwei grundlegende Wege:

  1. sei ein Empathie-Monster

Als absoluter Empath erkennst du intuitiv, was mit deinem Gegenüber los ist. Du weißt, was er oder sie gerade braucht und gibst es ihr. Du irrst dich selten bei der Einschätzung von Menschen und ihren Gefühlslagen und kannst selbst durch ein dutzend Matratzen die Erbse erspüren, auf der dein Gegenüber letzte Nacht gelegen hat. Du kannst das nicht? Tough luck…
Dann kann dir wohl nur noch der zweite Weg helfen.

  1. frag dein Gegenüber: „Was brauchst du gerade?“

Diese Frage ist unglaublich mächtig. Sie vermittelt gleichzeitig das Gefühl, dass dir dein Gegenüber und sein Zustand wichtig sind und bringt deinen Gesprächspartner fast automatisch zur Reflektion: „Ja, was brauche ich eigentlich gerade?“. Wichtig ist hierbei, dass du deinem Gegenüber auch das Gefühl gibst, dass so ziemlich jede Antwort, die er geben kann, ernstgenommen wird. Denn Menschen wollen sich ernst genommen fühlen und sie haben grundsätzlich auch jedes Recht dazu. Daher hast du bei Spielern auch schon automatisch die halbe Miete, wenn sie sich von dir in ihren Befindlichkeiten ernst genommen fühlen.

Du solltest vielleicht dennoch nicht den sichtlich überforderten harten Hund, der nicht vor seinen Freunden das Gesicht verlieren will, mitten in der Schlachtreihe in den Arm nehmen, sondern vorher mit ihm ruhig an den Rand gehen und reden. Stelle dann, wenn ihr in einer sicheren Umgebung seid die Frage (gerne auch etwas an die Situation angepasst, dass er den Sinn der Frage begreift): „Ich möchte, dass du kurz darüber nachdenkst, was du gerade brauchst.“. Gib ihm gerne dabei direkt ein paar Antwortmöglichkeiten als Beispiele mit. Etwa in der Art: „Brauchst du gerade wirklich einen Rat oder musst du nur mal Frust ablassen? Beides wäre vollkommen okay für mich.“ Ja, auch das braucht etwas Empathie. Das ist leider so. Ohne Empathie kommt man als SL nicht weit. Das liegt daran, dass Larp auf emotionaler Interaktion von Menschen beruht. Da ist Empathie nun einmal das beste Werkzeug.

Die Frage hat auch gleich noch den wunderbaren Effekt, dass Missverständnisse vermieden werden. Nichts ist für beide Seiten frustrierender, als wenn man aneinander vorbeiredet. Dein Gegenüber fühlt sich nicht ernst genommen und im Zweifelsfall sogar falsch verstanden. Als Beispiel nehmen wir nochmal die Teilnehmerin, die aus irgendwelchen Gründen mit der Gesamtsituation überfordert ist und es nicht schafft, ihren Charakterbogen auszufüllen. Wenn du dich hier nur um den Charakterbogen kümmerst, ist das Problem der Teilnehmerin (die Überforderung mit der Gesamtsituation) nicht gelöst. Sie fühlt sich nicht besser, sondern missverstanden (selbst, wenn sie ihr eigentliches Problem nicht kommuniziert hat) und ist am Ende sogar noch frustrierter.

Mittels der Frage kannst du dann aber gut das eigentliche Problem ergründen und selbst, wenn du es vielleicht nicht lösen kannst (weil du selbst beispielsweise nicht der Typ dafür bist, Leute runterzubringen oder in den Arm zu nehmen), kannst du dich dann darum kümmern, dass dieses Problem gelöst wird. Du könntest die Teilnehmerin beispielsweise zu einer anderen SL oder zu einer Bezugsperson von ihr bringen, die sich vielleicht besser um sie kümmern kann. Ideal wäre dann noch, wenn du ihr sagst, dass du dich dann später, wenn es ihr etwas bessergeht, gerne zusammen mit Ihr um den Charakterbogen kümmerst. Das genaue Vorgehen muss selbstverständlich immer je nach Situation angepasst werden. Aber die Teilnehmerin fühlt sich wahrgenommen, wertgeschätzt und ihr Problem ist zumindest angegangen.

Klar ist: diese Frage ist kein Allheilmittel. Sie kann, neben der Wertschätzung, die sie dem Gegenüber entgegenbringt nur dazu dienen, die wahren Probleme zum Vorschein zu bringen. Damit löst sich keine Probleme selbst, aber du kannst sie zumindest weitaus besser wahrnehmen. Sie ersetzt auch keinen gesunden Menschenverstand und/oder Empathie (tut mir leid). Aber ich denke, dass jeder Spieler es verdient hat, ernst genommen zu werden und du wirst merken, dass sich mit dieser Frage viele deiner kniffligeren Fälle als gar nicht so knifflig herausstellen.


Zu guter Letzt bleibt mir noch zu sagen, dass ich diese Frage nicht nur im Larp wichtig finde. Ich finde sie sogar für alle sozialen Beziehungen wichtig. Ich hoffe, ich konnte dir helfen und deine eigene SL-Toolbox erweitern.

Schreib mir doch gerne einmal, welche Tools du so benutzt oder welche Themen du von mir genauer beleuchtet haben möchtest.

Black Betty meldet sich aus dem Funkkreis ab


1 Kommentar

Kimberley · 2019-07-15 um 09:42

Hi Betty,
ich selbst bin zwar keine SL, aber als leidenschaftliche Spielerin interessieren mich die Hintergründe vom LARP an sich natürlich auch sehr (inklusive SL-Themen).
Deswegen danke ich dir an der Stelle für den Beitrag und hoffe auf „mehr davon“. Denn gerade diese Themen, die die SL beschäftigen sind natürlich auch für die Gegenseite – also die Spieler – sehr interessant.
Ich denke, ich werde den Beitrag bei Gelegenheit auch mal auf meiner LARP-Website einbetten/teilen wenn das für dich in Ordnung ist.
Gutes Thema – guter Beitrag!

Liebe Grüße
Kimi (LARPerLeben)

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