„Shattered Memories 1 – Das Hotel“ – keine Con für ängstliche Gemüter
Veröffentlicht von Betty am
„Shattered Memories 1 – Das Hotel“ - keine Con für ängstliche Gemüter
Eigentlich sah die Webseite des „Grand Hotels“ doch gar nicht schlecht aus… Schöne Zimmer, scheinbar Erfahrungen mit Feiern, großräumig…. Für Spaß und Spiel sei gesorgt, sagte man mir… Man hätte sich nicht lumpen lassen und nicht nur Clowns, Artisten, Pantomimen und Wahrsager engagiert, sondern sogar einen Löwen besorgt. Außerdem gäbe es im Hauseigenen Casino viele Spiele, bei denen ich mir die Zeit vertreiben könne. Es klang zu gut um wahr zu sein… Hätte ich nur auf mein Bauchgefühl gehört…
Ich sitze hier im Dunkeln und versuche keinen Laut zu machen, damit SIE mich nicht hört. Bei jeder Bewegung meines Körpers knarrt der Boden unter meinem Hintern. Luft anhaltend spähe ich angestrengt in die Dunkelheit. Ich weiß nicht, ob die anderen es schaffen werden, aber wenn ich mich nicht bald mal zusammenreiße, komme ich hier bestimmt nicht lebend raus. Die Panik schnürt mir langsam aber sicher die Kehle zu. Mein Kopf schwimmt, alles dreht sich. Wenn ich jetzt nicht aufstehe, ist alles verloren. Ich weiß nicht wo ich die Kraft hernehme, doch ich erhebe mich, starre in die Finsternis vor mir und setze einen leisen Schritt vor den nächsten.
IT-Hintergrund und Charaktererschaffung
So oder so ähnliches sollte man erwarten, wenn man zum Jetztzeit-Larp „Shattered Memories 1 – Das Hotel“ fährt, erzählt mir Patricia von der Orga der neuen Horror-Con-Reihe. Bei dieser soll es nicht unbedingt um die Rettung der Welt gehen, aber ganz bestimmt um die Rettung deines Charakters. Gespielt wird IT in einem Grand Hotel das schon früher für seine großartigen Feiern berühmt gewesen sein soll. Leider musste es zeitweise in den 80ern schließen, als irgendetwas komisches mit einer Mordserie passiert sei, aber das ist mittlerweile Vergangenheit. Seitdem der Sohn des alten Besitzers das Hotel wiederöffnet hat, erstrahlt dieses in neuer Pracht und versucht nun, an alte Erfolge anzuknüpfen.
Viel mehr will mir Patricia von der Geschichte noch nicht verraten und auch die OT-Webseite gibt nicht viel mehr an Informationen preis. Wohl entlocke ich ihr jedoch noch die Information, dass die Hintergrundgeschichte und teilweise auch die Charaktere von dem erfahrenen Horror-Autor Sascha Dinse geschrieben wurden. Auch erzählt sie mir, dass es wohl mindestens drei Veranstaltungen in der Reihe geben wird, die allerdings unabhängig voneinander sein werden. Sie spielen in derselben Welt, und sollte der eigene Charakter überleben (was hier definitiv nicht von vorneherein sicher sei, wird mir gesagt), dürfe man den auch auf weiteren Cons der Reihe spielen. Es ist aber auch kein Problem erst zum zweiten oder zum dritten Spiel der Reihe ganz neu einzusteigen.
Die Charaktere wird es erst zwei Wochen vor der Con geben in Form von Charakterkarten die ein paar Charakter-Eckpunkte wie Stärken, Schwächen und Verknüpfungen mit anderen Charakteren enthalten sollen. Wenig Zeit, wie ich finde, aber da wir im Hier und Jetzt spielen, sollte die Gewandung nicht sonderlich zeitaufwendig zu beschaffen sein. Es wird definitiv Spannungen auch zwischen den Spielercharakteren geben, der Fokus sollte allerdings auf der Lösung der Grundsituation liegen. Hierbei wird aber nicht, wird mir versichert, auf ein Schwarz-Weiß-Bild gesetzt. Viel eher bewegen wir uns in einer Welt voller Grautöne, in der es einfach viel zu viele Abgründe gibt.
Hygienischer Ekel oder auch: Maden im Essen
OT spielen wir leider nicht in einem Grand Hotel sondern im Freizeithaus Petershof. IT ist dies das Grand Hotel und sieht aus wie auf der IT-Webseite. Anstatt schicker Hotelzimmer erwarten uns hier Zweibettzimmer, Schlafsäle und Zeltplätze im Jugendherberg-Standard. Hier wird meine Phantasie gefragt sein. Aber wenn ich mir vorstellen kann, dass eine kleine Ansammlung von Zelten und Ständen eine Stadt sein soll, dann kann ich mir auch den Petershof als Grand Hotel vorstellen… Hoffentlich.
Doch abseits davon werde ich nicht viel Vorstellungskraft benötigen, versichert mir die Orga. Immersion schreibt sie groß. Sehr groß sogar und macht auch vor den Schlafräumen, den Badezimmern oder dem Essen keinen halt; Hier wird alles mit einbezogen und dekoriert. Natürlich werden die strengen Hygienerichtlinien eingehalten, sagte man mir. Das Essen, dass die Larpküche zubereite und im Preis enthalten ist, sei selbstverständlich komplett essbar. Es sieht vielleicht nur nicht danach aus… Die ein oder andere Made muss man da schon mal erwarten… Auch die Badezimmer würden dem Setting entsprechend dekoriert sein. Was das genau heißen soll habe ich lieber nicht nachgefragt, aber ich kann es mir äußerst bildlich vorstellen.
Vielleicht also eher nichts für ängstliche Gemüter. Auch die Aussage, dass das komplette Spielgebiet IT ist – inklusive der Schlafräume – hinterlässt bei mir ein mulmiges Gefühl. Ich persönlich bin ein Freund von härteren Settings, aber ich bin mir sicher, dass das nicht bei jedem so ist. Umso besser sind allerdings solche klaren Ansagen, um sich im Vorfeld darauf einstellen zu können (oder eben dem Larp fernzubleiben).
Sicherheit und Regeln
Bei all dem Horror und all der Immersion darf jedoch die (OT-)Sicherheit der Spieler nicht zu kurz kommen. So wird es auf der Veranstaltung ein klares Safeword als auch einen OT-Rückzugsraum geben, sollte der Stress einmal für einen Spieler doch zu viel werden. Des Weiteren ist Patricia ausgebildete Biofeedback- und Mentaltrainerin und ist darin geschult, Personen in psychologischen Extremsituationen zu betreuen und zu beruhigen. Mit Dennis ist ein Mitarbeiter der Kriminalpolizei im Team, der sowohl die rechtliche Sachlage genau kennt, als auch mit Menschen in Extremsituationen umgehen kann. Immerhin bringt die Orga insgesamt schon mehrere Jahzehnte Erfahrung im Veranstalten von Liverollenspielen mit. Im Vorfeld werden mittels Fragebogen auch die Grenzen der Spieler abgefragt, um sicherzugehen, dass man diese nicht überschreitet.
Ebenfalls wird es vor dem Spiel noch den einen oder anderen Workshop geben, der den gewünschten Spielstil erläutert. Sehr erfreulich und anders (zumindest für mich) empfinde ich die klaren Ansagen zum Thema Alkohol und Drogen. Beides wird nämlich schlicht gar nicht geduldet. Das Thema Horror und das geplante Level an Ekel sollte schon groß genug sein, als dass man hier noch mittels Alkohol oder anderer Drogen Unsicherheiten mit einbringen sollte. Ein Verstoß wird zum Ausschluss von der Veranstaltung und evtl. sogar zu einer Anzeige führen.
Ansonsten wird nach DKWDK ohne weitere Besonderheiten gespielt.
Hard Facts
Wann: 31.10. – 02.11.2019
Wo: Freizeithaus Petershof nahe Michelstadt (64711, Hessen)
Verpflegung: Vollverpflegung
Regeln: DKWDDK
Setting: Jetztzeit/Horror
Preis: Von 95€ (Zeltplatz) – 149€ (Zweibettzimmer)
Fazit
Die Orga scheint sehr ambitioniert was das Thema Horror und Immersion angeht und alle Erläuterungen scheinen Hand und Fuß zu haben. Sie haben bereits Erfahrung mit der Veranstaltung von Larps, allerdings bisher hauptsächlich im Fantasy-Umfeld. Diesem Umstand scheint es auch geschuldet zu sein, dass sie bei der Kommunikation von Sicherheitsmechanismen beispielsweise noch zögernd sind.
Die Befürchtung, Spieler könnten Sicherheitsmechanismen, wie Safewords oder Out-Rooms, nutzen um sich das Spiel einfacher zu machen, kann ich aus meinem Spielumfeld mit ähnlichen/ähnlich fordernden Spielen nicht bestätigen. Mit verändertem Blickwinkel jedoch, kann ich dies durchaus nachvollziehen. Nichtsdestotrotz scheint die Orga sowohl was Personal als auch Mechanismen angeht, gut aufgestellt zu sein. Sicherlich wird viel bei diesem Spiel davon abhängen, wer als Spieler dort hingehen wird, aber das lässt sich im Vorfeld nicht abschätzen.
Das Bild der bespielten Welt, dass von der Orga gezeichnet wird, erscheint erschreckend schaurig in meinem Geist. Allerdings gibt es auch ein paar Sachen, die mir auf den ersten Blick nicht gefallen. So kann es beispielsweise schwer werden, das Freizeithaus in meinen Gedanken in ein Grand Hotel zu verwandeln.
Eins jedoch ist klar: die Con ist nichts für schwache Gemüter. Allein die Idee, sowohl Badezimmer als auch das servierte Essen mit in die Dekoration vollends einzubeziehen, ist mutig und – in meinen Augen – großartig (auch, wenn es mich Überwindung kosten wird).
Die Preise scheinen für das, was geboten wird, angemessen zu sein. Ich bin sehr gespannt, was sich da aus den Schatten herauspellen und was es nach dem ersten „Shattered Memories“ zu berichten geben wird.
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